Die Aachener Heiligtumsfahrt wurde um zwei Jahre verschoben – der Vorgang ist ungewöhnlich, aber nicht die einzige historisch belegbare Abweichung
Aachen. In der Geschichte der Stadt Aachen ist die Heiligtumsfahrt eine feste Institution mit jahrhundertelangen Traditionen. Schon seit der Literatur des frühen 17. Jahrhunderts wird davon ausgegangen, dass die Wallfahrt seit 1349 stets in einem siebenjährigen Rhythmus stattfand. Nun wird sie wegen der Coronapandemie um zwei Jahre verschoben. Diese Entscheidung wird zweifellos in die Annalen eingehen. Aber ist sie wirklich so außergewöhnlich? Oder gab es bereits früher Ereignisse, die die Heiligtumsfahrt durchkreuzt haben? Ein Blick ins Domarchiv hilft beim Versuch einer Rekonstruktion – ohne Anspruch auf Vollständigkeit...
Angefangen hat alles zur Zeit Karls des Großen. Die fränkischen Reichsannalen berichten, dass zur Einweihung der Pfalzkapelle im Jahr 799 ein bedeutender Reliquienschatz aus Jerusalem überbracht wurde. Dieser Schatz sowie auch andere Reliquien zogen zahlreiche Pilger an, vor allem zum Kirchweihfest am 17. Juli, das mit einem Ablass verbunden war. Die Heiligsprechung Karls im Jahr 1165 ließ die Pilgerzahlen steigen. Zwischen 1220 und 1239 entstand der Marienschrein, der die sogenannten „Großen Heiligtümer" aufnahm: Die Windeln und das Lendentuch Christi, das Marienkleid und das Enthauptungstuch Johannes des Täufers.
Mit dem Beginn der Gotik entwickelte sich bei vielen Gläubigen der Wunsch, nicht nur von der Existenz der Reliquien im Dom zu wissen, sondern Heiliges auch sehen und begreifen zu können. Infolgedessen bekam der Marienschrein 1349 eine Öffnung, durch die die Heiligtümer herausgenommen werden konnten. Das Jahr 1349 war auch sonst ein besonderes. Im Rheinland erreichte die Pest, die ein Jahr zuvor auf Europa übergegriffen hatte, ihren Höhepunkt. Der Andrang der hilfesuchenden Pilger war so groß, dass der Rat der Stadt strenge Verordnungen erließ, um die Ausweitung der Seuche zu vermeiden. Nichtsdestotrotz gilt diese „Aachenfahrt" als die größte des Mittelalters und trug dazu bei, dass sechs Jahre später mit dem Bau der Chorhalle begonnen wurde. Am Ende dieser denkwürdigen Heiligtumsfahrt (25. Juli 1349) ließ sich Karl IV. zum Römischen König krönen. Seit jenem Jahr gilt der siebenjährige Rhythmus jeweils sieben Tage vor dem Kirchweihfest als gesetzt.