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Stoffgeschichten:Notarztjacke

Notarztjacke
Ich wollte nicht in den Notarztdienst. Mein Chef hatte mich immer wieder gedrängt, weil es zu wenige gab, bis ich schließlich einwilligte, voller Angst; die ersten Dienstnächte tat ich kein Auge zu.
Datum:
18. Apr. 2023
Von:
Johannes Haller

Die Angst wurde weniger mit der Zeit, und ich begann zu spüren, dass ich es konnte, und dass es gut war, es zu tun. Die Erkenntnis, dass wir keine Helden waren, aber begleitet. Wenn Gott mir hier und da den Blick gab, Ihn in den Menschen zu erkennen, zu denen ich geschickt wurde.

Und in der Erinnerung an die Einsätze - Stoffgeschichten. Schreckliche, vor allem wenn wir zu spät kamen, und schöne, hoffnungsvolle: wie bei den vier Tüchern in Aachen. Die abgewetzte graue Hose das alten Mannes, der sich an seiner Garderobe erhängt hatte: auch sie ein Lendentuch. Das blauschimmernde Synthetikkleid der jungen, schwarzen Frau, die ihr erstes Kind in der Flüchtlingsunterkunft zur Welt bringt. Und daneben steht ihr Mann, der in Angst laut betet, und mir dann ein dünnes Handtuch reicht: auch das eine Windel, in die ich das Kind wickele und es ihm in den Arm lege. Er weint vor Glück.

12 Jahre, 2.500 Einsätze. Danach habe im Rettungsdienst aufgehört. Die feuerfeste Jacke, die mich geschützt hatte, habe ich aufgehoben.

Bald werde ich losgehen, 190 Kilometer zu Fuß nach Aachen, um am 9. Juni anzukommen, so Gott will. Auch um zu danken, dass ich zu meinem Beruf in der Lage war und bin. Und, wenn es auch nicht viel ist, dass wir doch etwas Not lindern können - oder eigentlich: Ihn lindern lassen, Ihn durchlassen können, manchmal, durch unser Tun.

Johannes Haller

Stoffgeschichten: Kunstaktion zur Heiligtumsfahrt

Die vier Heiligtümer, die besonderen Stoffe im Dom zu Aachen, erzählen Geschichten vom Leben und Glauben. Auch Ihre Stoffstücke haben eine Geschichte. Von der Windel über das Hochzeitskleid bis hin zum Fußballtrikot – jedes Stoffstück lässt sich mit besonderen Anlässen, Hoffnungen und Erinnerungen verbinden. Vielleicht ist es aber auch eine Covid-19-Maske, der Kittel einer Pflegefachkraft oder ein anderes Stoffstück, das an besondere Ereignisse oder Erfahrungen erinnert.

Für die Heiligtumsfahrt 2023 wird der Künstler Garvin Dickhoff eine gemeinsame Kunstaktion durchführen und Pilger*innen zusammenbringen. Ihre geschichtsträchtigen Stoffstücke werden dazu zusammengenäht und zu einem vier Meter großen Ball verarbeitet, der im Laufe der Heiligtumsfahrt durch die Stadt gerollt wird. Sie können live dabei sein, wenn Ihr Ball die Stadt erobert.

Damit dieses Projekt gelingen kann, brauchen wir Sie! Werden Sie Teil dieser außergewöhnlichen Kunstaktion: Mehr dazu erfahren Sie hier: www.bleiberger.de/heiligtumsfahrt2023