Münsteraner Bischof Felix Genn: Aachener Tuchreliquien sprechen von Maria, Jesus und Johannes :„In diesem Jesus entdecken wir uns“
Der Bischof von Münster führte in seiner Predigt aus, dass die Menschen, die Jesus begegnet seien, gespürt hätten: Er ist tatsächlich ganz Mensch, und in ihm ist Gott ganz da. In ihm entdeckten wir Menschen uns, nach seinem Bild seien wir geschaffen, und er habe uns wieder in unser ursprüngliches Bild zurückgeführt. „Selbst, wenn wir behindert sind, blind, taub, gelähmt: Wir bleiben Menschen nach seinem Bild, und er ist gerade für uns in diese Schwachheit hineingegangen“, unterstrich Genn. „Deshalb schauen wir auf die Windeln – Zeichen der Schwachheit und Hilflosigkeit. Deshalb schauen wir auf den Lendenschurz – Zeichen größter Schwachheit. Deshalb schauen wir auf das Tuch der Enthauptung – Zeichen größter und letzter Hilflosigkeit.“
Des Weiteren erklärte Genn in seiner Ansprache, die in Aachen gezeigten Windeln seien ein wunderbares Zeichen dafür, dass Jesus ein Mensch gewesen sei wie wir. Zu diesem Mensch-Werden gehöre auch das Kleid Mariens, das einen weiteren Stoff dieser Pilgerfahrt darstelle. Dieses Kleid erinnere ebenso wie die Windeln daran: Jesus wurde im Leib einer Frau getragen, bis sie ihn eines Tages gebären konnte. Das Lendentuch verweise darauf, dass Jesus seiner Kleider beraubt und ganz nackt ausgezogen worden sei. „Also auch hier wieder: Er ist ganz und gar ein schwacher Mensch“, stellte Genn fest. In dem Enthauptungstuch Johannes des Täufers schließlich könnten wir uns als Menschen wiederentdecken. „Wir können brutal sein. Wir können andere so hassen, dass wir sie ausrotten wollen“, mahnte der Bischof von Münster. „Schauen wir einmal in die Situation unserer Gegenwart. Dort werden Menschen in der Ukraine einfach ausgerottet, ermordet, erschlagen. Aber wir können auch als Menschen so sein wie Johannes: Gradlinig, einstehen für die Wahrheit, uns nicht verbiegen, uns nicht kleinkriegen lassen aus Furcht und Feigheit.“
Abschließend verriet der Bischof von Münster, was er Jesus antworten würde, wenn er heute fragen würde, was wir Menschen von ihm hielten. Wenn er diese Tücher sehe und den Pilger-Gottesdienst feiern dürfe, würde er, Bischof Genn, sagen: „Danke, Jesus, dass Du einer von uns geworden bist, dass Du darin uns gezeigt hast, wie sehr Gott uns liebt, so sehr, dass ich mich durch Dich neu entdecken kann.
Entdecke mich: die Heiligtumsfahrt Aachen
Seit 1349 kommen Pilgernde, Glaubende, Suchende und Neugierige zur Heiligtumsfahrt, bei der die im Aachener Dom befindlichen Heiligtümer verehrt werden. Bei den Tuchreliquien handelt es sich der Überlieferung nach um das Kleid Marias, das sie in der Geburtsnacht getragen hat, die Windel Jesu, das Enthauptungstuch des heiligen Johannes des Täufers und das Lendentuch Jesu. Sie werden nur alle sieben Jahre dem Marienschrein entnommen. Aufgrund der Corona-Pandemie musste der siebenjährige Rhythmus allerdings unterbrochen werden: Statt 2021 findet die Wallfahrt vom 9. bis 19. Juni 2023 statt.
Das biblische Leitwort für die Heiligtumsfahrt 2023 lautet „Für wen haltet ihr mich?“ (Mt 16,15). Es ist die Frage an die Christen, wie sie Jesus als den von Gott gesandten Christus anerkennen. Ergänzt wird es durch das Motto „Entdecke mich": eine Einladung, das Wahrhaftige im Menschen und in sich selbst zu finden, Christus und den Glauben neu oder anders zu entdecken durch das Erlebnis der Heiligtumsfahrt.
Nähere Informationen zur Heiligtumsfahrt gibt es unter: