„Durch eine lange Verehrung kostbarer geworden“
„Es atmet Geschichte“
„An genau dieses Urereignis unseres Heils, mehr noch an ihn, den Heiland Jesus Christus selbst, erinnern uns die heiligen Sachen, die seit Jahrhunderten in Aachen aufbewahrt und verehrt werden.“ Für sie sei die großartige Chorhalle des unvergleichlichen Aachener Domes als kostbare, lichtdurchflutete Schatulle gebaut worden. Mit mehr als 1000 Menschen feierte Franz-Josef Bode den ersten Pilgergottesdienst auf dem Katschhof. Schon in seiner Ansprache betonte der emeritierte Bischof: „Es ist ein Gänsehaut-Gefühl dieses Lendentuch in Händen zu halten. Es atmet Geschichte.“
Bode, dessen Rücktritt als Bischof von Osnabrück vor wenigen Wochen von Papst Franziskus angenommen worden war, berichtete, dass er gerade dabei sei, aus dem großen Bischofshaus in Osnabrück auszuziehen und sich für den Ruhestand in eine kleinere Wohnung zu begeben. Dabei stehe er vor der schwierigen Frage, was er in die neue Wohnung mitnehmen solle und welche Dinge so unverzichtbar seien, dass er nicht ohne sie in die neue Zeit gehen wolle. „Wenn wir Menschen schon so im ganz normalen Leben unsere ,Heiligtümer´ haben als Erinnerung an glückliche Stunden und liebe Personen, wie sehr müssen uns erst alle Dinge wichtig sein, die uns in die Nähe des Geheimnisses der Menschwerdung Gottes und unserer Erlösung bringen“, unterstrich Bode. Der verstorbene frühere Bischof von Aachen, Klaus Hemmerle, habe einmal formuliert: „Wir gehen in Aachen mit dem Heiligen auf Tuchfühlung.“ Diese Entdeckung, diese Tuchfühlung mit dem Heiligen könne aber nur geschehen, wenn Menschen sich berühren ließen von der Person Jesu Christi und von seinem Lebensstil, wenn sie ihm nachfolgten und wenn die Erinnerungsstücke dazu dienten, sich des Lebens Jesu zu „erinnern“ im tiefen Sinn des Wortes, es für sich neu zu entdecken. „Nur der- und diejenige geht mit dem Geheimnis Christi auf Tuchfühlung, lässt sich bis heute davon berühren, der / die sich auf Tuchfühlung, auf Entdeckung des Menschen neben ihm begibt“, betonte Bode. Die Macht der Erinnerung, die Macht der Jahrhunderte alten Geschichte der Verehrung der heiligen Gegenstände wolle den Menschen – mit Augen zu sehen – klarmachen, was gerade in unserer Zeit und Welt heute so unendlich wichtig sein müsste, wo der Glaube an den ganz konkret menschgewordenen Gott verdunste oder in Vergessenheit gerate, weil das Bild von ihm so nebulös und inhaltslos geworden sei, statt wirklich geerdet und menschennah zu sein.
Echtheit ist nicht die entscheidende Frage
„Deshalb ist die alles entscheidende Frage bei der Verehrung dieser Gegenstände nicht: Wie echt oder wie alt oder wie wertvoll sind sie? Die entscheidende Frage lautet: Wer ist der, zu dem diese Dinge gehören?“, hob der frühere Bischof von Osnabrück mit großem Nachdruck hervor. „Nicht, was man denkt und tut, nicht, wofür man diesen Jesus hält, ist entscheidend bei der Verehrung dieser Heiligtümer, sondern wofür wir, wofür ich, wofür jeder und jede Einzelne ihn hält und was er ihm und ihr bedeutet.“ Es gehe um die lebendige Beziehung zu der Person Jesus Christus, die geboren sei, gelebt habe, gestorben und auferstanden sei. Sie wolle immer neu entdeckt werden, so Bode.
Zur vollen und tiefen Beziehung zu diesem Christus gehöre die Annahme der ganzen Wirklichkeit mit all ihren Höhen und Tiefen, und das nicht in Verzweiflung, sondern in Hoffnung, in Vertrauen und Liebe, weil genau dieser Jesus schon alles mit und für uns Menschen durchgetragen habe. „Nichts anderes bezeugen wir mit der Verehrung der Heiligtümer in Aachen“, erklärte Bode. „Mit keinem Geringeren als dem Gottmenschen selbst gehen wir mitten in Zweifel, Angst und Not auf Tuchfühlung; wir entdecken ihn neu, um darin Halt zu finden.“ Die Heiligtumsfahrt öffne die Menschen neu für die große Liebe Gottes in der Eucharistie und nehme sie schrittweise mit in das tiefste Geheimnis des Glaubens. „Eine Kirche, in der das bleibt, dieses Suchen und Tasten, diese Nähe, diese Tuchfühlung und Berührung mit Gott und allen Menschen, wird Zukunft haben, davon bin ich fest überzeugt“, schloss Bode.